11.01.16

Unternehmergespräch der FAZ mit Jordan Geschäftsführer Jörg L. Jordan

"Großhandel? Die gehen doch alle pleite" Bodenbeläge - da geht was, haben die Kasseler festgestellt. Auch wenn sie unter Vorschriften ächzen.

KASSEL, 10. Januar
Der Bodenbelag ist das stilistische Hauptgestaltungselement im Raum, und er wirkt sich unmittelbar auf das Wohlbefinden der Bewohner aus. Doch wenn man baut, hat man mit allem Möglichen zu tun - allein der Boden steht nicht im Zentrum", sagt Jörg Jordan, Geschäftsführer der W. & L. Jordan GmbH in Kassel. Aber irgendwann suchen Bauherren und Mieter doch die Bodenhaftung und entscheiden sich, wenn sie die Ware vom Fachbetrieb verlegen lassen, immer häufiger für einen Belag von Jordan. Eigentlich ist Jordan ein Fachgroßhändler für Bodenbeläge und sogar der größte in Deutschland, "aber wir verstehen uns weniger als Großhändler, sondern als Markenanbieter für Fußbodenbeläge", sagt Jörg Jordan. Seit er vor 30 Jahren als Vertreter der dritten Generation in die Leitung des Familienunternehmens eintrat, hat sich der Umsatz um den Faktor 25 vervielfacht und dürfte 2016 bis zu 360 Millionen Euro erreichen.

Jordan ist Familienmensch. Seinen Vater Horst-Dieter begleitete er als Kind auf Holzplätze, holte mit ihm an Heiligabend die Post und chauffierte ihn später. Doch während dem Großvater Ludwig Jordan als Gründer und dem Vater noch eine Lehre genügte, um ein Unternehmen zu führen, studierte Jörg Jordan Betriebswirtschaft. Als er 1986 ins Geschäft eintrat, war die Frage offen, wohin sich der Großhandel entwickeln sollte, berichtet er aus einem Strategiegespräch: "Max Bahr war ein Holzhändler, der auf Do it yourself und den Baumarkt setzte, Hornbach ging aus dem Baustoffhandel hervor, und die Hammergruppe war ursprünglich ein Fußbodenfachgroßhandel." Jordan bleiben die Worte seines Schwiegervaters, eines Anwalts, unvergessen: "Junge, meinst Du, das hat überhaupt Zukunft mit dem Großhandel? Die gehen doch alle pleite!"

Doch die Familie sagte sich: "Es bleiben die Handwerker, und die brauchen einen Partner und keinen Großhandel, der ihnen das Geschäft mit der Objektausstattung oder den Privatkunden wegnimmt." Damals formulierte die Familie drei Grundsätze: "Die Bedürfnisse unserer Kunden bestimmen unser Handeln, Vertrauen ist die Basis unserer Geschäftsbeziehung, und der Mensch steht im Mittelpunkt. Das sagt zwar jeder", räumt Jordan ein, "aber bei uns wird es eingehalten."

So, wie damals sein Vater gegen den Großvater neben Holz auf neumodische Bodenbeläge wie Teppichböden und PVC setzte, zielte Jörg Jordan auf die Expansion. Vater Horst-Dieter ging es zu schnell und zu weit, aber gemeinsam erschlossen sich Vater und Sohn zunächst den Osten Deutschlands: "Viele haben im Osten ihre Altwarenbestände reingedrückt. Wir haben das nicht getan, sondern unser Lieferversprechen dank unseres Logistikkonzepts mit zwei Zentrallagern in Kassel und Erfurt gehalten, von wo aus wir alle Standorte im Nachtsprung erreichen." Den Fuhrpark von 250 Personenwagen und 150 Lastwagen kaufte Jordan, denn "Leasing ist zu teuer". Sparsamkeit ist eine Tugend, und Wohlstand, weiß Jordan, kommt vom Behalten, nicht vom Ausgeben. Er appelliert an den Unternehmergeist der Mitarbeiter.

Nach den Neugründungen in Mitteldeutschland begann Jordan "wegen hoher Forderungsausfälle in den 1990er Jahren" mit der Übernahme von Unternehmen im wirtschaftsstärkeren Süden, später kamen der Westen und der Norden hinzu. Unterdessen hat Jordan auch in Österreich, der Schweiz und Italien Unternehmen übernommen. Er betreibt eine klare Kostenstrukturanalyse: "Wir ermitteln ziemlich genau, wann der Nullpunkt und die Profitabilität wieder erreicht sein werden. Zahlreiche unserer heutigen Standorte waren Sanierungsfälle, zum Beispiel die österreichische Tochter Inku, die dort wieder Marktführer ist." Als begleitende Bank in Europa setzt Jordan "nicht nur, aber durchaus" auf die Sparkasse: "Die Großbanken haben zu Beginn des Jahrtausends den Mittelstand aus den Augen verloren und mit dem Verkauf von Derivaten, die in die Schlagzeilen kamen, das Vertrauen schwer beschädigt. Heute haben sich die Großbanken wieder dem Mittelstand zugewandt, allerdings ohne Risikoaffinität."

In allen regionalen Märkten hilft dem Mittelständler sein "phantasiereiches Vertriebskonzept, das aufgeschlossen für neue Produkte ist" - wie den trittschallgedämmten Boden für DDR-Plattenbauten, Heimtextilien, Möbelstoffe, Gardinen, Deko und Tapeten: "Wir wollen dem Handwerker für seine Kunden die Joka-Welt eröffnen", spricht Jordan die Eigenmarke an. Der Name Joka stammt aus dem Holzhandel, denn die Stämme, die Jordan kauft, werden seit jeher mit J. für Jordan und K. für Kassel gekennzeichnet. Joka steht für Waren der Mittel- bis Premiumklasse und erlaubt den Handwerkern, ihren Endkunden ein Qualitätsversprechen zu geben. "Parallel sind wir ins Sportsponsoring gegangen, statten seit 2006 bei der Winterolympiade das Deutsche Haus aus und haben mit Magdalena Neuner und anderen Sportler gefunden, die zu uns passen", sagt Jörg Jordan über die Strategie des Sponsorings.

Er spürt die Motivation der Mannschaft sowie die Identifikation der Kunden mit der Marke und den Sportlern einerseits - und andererseits die "weit überbordende Bürokratie", die insbesondere kleine Betriebe belaste. Jordan nennt "vollkommen überzogene Brandschutzregelungen für Lagerhallen, in denen kaum Menschen anzutreffen sind", und die Kontrollpflichten, mit denen Unternehmen des Transportgewerbes belegt werden: "Auch unser Betrieb zählt dazu. Wir können den Führungskräften kaum vermitteln, auf wie viele Gesetze und Bestimmungen sie zu achten haben." Vielleicht, folgert Jordan, sehne sich auch deshalb mehr als die Hälfte der Schulabsolventen nach der Sicherheit im öffentlichen Dienst, während nur wenige bereit seien, Verantwortung in der Selbständigkeit zu tragen. Sorge um Nachwuchs macht sich Jordan indes nicht. Er rät jungen Leuten durchaus zur gewerblichen Ausbildung. Wer eine Lehre absolviere, sei gesuchter als der Hochschulabsolvent, verdiene früher und im vergleichbaren Alter mit dem Akademiker obendrein mehr, während ein Studium auch später und sogar im Betrieb möglich sei.

"Wir konnten zusammen richtig Gas geben", erinnert sich Jordan an die Jahre mit dem Vater. Er habe den Senior gerne um Rat gefragt, aber es sei von Beginn an wichtig gewesen, dass der Junior eine eigene Aufgabe und Verantwortung hatte. Vater Horst-Dieter war bis zum vorletzten Tag vor seinem Tod am Karfreitag 2014 "in der Firma", und Jörg Jordan sagt, dass zwei seiner drei Kinder in einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung seien: "Die Nachfolge aus der Familie ist damit wahrscheinlich." Unterdessen führt Jordan das Unternehmen mit einer stark gewachsenen Führungsmannschaft, "denn die Zeiten eines Patriarchen, der die Verantwortung nicht teilen möchte", seien vorüber. In zehn Jahren will Jordan die marktführende Position seines Unternehmens in Deutschland und weiteren Nachbarländern ausgebaut und mit neuen Produkten aus weltweiten Quellen gestärkt haben.
CLAUS PETER MÜLLER

Das Unternehmen
Die W. & L. Jordan GmbH kommt aus dem Holzhandel, der heute immer nocheinen kleinen, aber wachsenden Teil des Geschäfts ausmacht. Sie wurde 1919 gegründet und verlegte sich später auf den Handel mit Bodenbelägen.
1986 trat Jörg Jordan, der heutige Geschäftsführer, ins Unternehmen ein, seither wächst Jordan gegen den Branchentrend. In den 65 Niederlassungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien dürften die knapp 1200 Mitarbeiter im Jahr 2016 etwa 360 Millionen Euro mit Holz und Bodenbelägen umsetzen.

Der Unternehmer
Der 55 Jahre alte Jörg Jordan bereiste nach der Bundeswehr, die er als Leutnant der Reserve verließ, und dem Studium an der European Business School erst mal Amerika. Ihn faszinierte der texanische
Bodenbelagsspezialist Brinkmann mit seinen 36 Filialen und drei Zentrallagern. Eigentlich sollte Jordan noch ein Jahr in New York bleiben und dann in die Münchner Unternehmensberatung Bain & Company wechseln - als ihn sein Vater bat, ins Familienunternehmen einzutreten. Jordan konnte nicht nein sagen.

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